Eine sächsische Antidiskriminierungskultur entwickeln statt abbauen
Stellungnahme des nadis - Netzwerk für eine Antidiskriminierungskultur in Sachsen zur aktuellen Debatte um den Sächsischen Haushalt 2025/2026
Dresden, 09. Mai 2025
Sehr geehrte Entscheidungsträger*innen in der sächsischen Politik,
mit großer Besorgnis haben die Mitgliedsorganisationen des nadis – Netzwerk für eine Antidiskriminierungskultur in Sachsen die aktuellen Haushaltsentscheidungen der Sächsischen Staatsregierung zur Kenntnis genommen.
Die geplanten Kürzungen in der Förderung von Antidiskriminierungs-, Vielfalts- und Demokratieprojekten stehen im eklatanten Widerspruch zu den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen der Freistaat Sachsen aktuell gegenübersteht.
Erfolge der Zivilgesellschaft nicht gefährden
Die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen haben in diesem Bereich in den letzten Jahren wertvolle Arbeit geleistet, Strukturen aufgebaut und vorangetrieben. Wenn über Angriffe
und Bedrohungen unserer Demokratie gesprochen wird, verweist eine breite Mehrheit der demokratischen Parteien ebenso wie Journalist*innen oder Politik- und Sozialwissenschaftler*innen immer wieder auf die große Bedeutung ihrer Arbeit für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gleichzeitig wächst vielerorts der Druck auf diese Organisationen und ihre Mitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen durch antidemokratische Bedrohungen, die sich in menschenverachtender Hetze und rassistischer, antifeministischer und queerfeindlicher Gewalt äußert.
Gerade angesichts zunehmender Angriffe auf Engagierte, Beratungsstellen, Projekte und Initiativen sind diese Strukturen unverzichtbar - sie bilden das Rückgrat demokratische Kultur in Sachsen. Ihre Existenz darf nicht durch finanzielle Kürzungen gefährdet werden.
Was wir stattdessen brauchen, ist ein gezielter Ausbau dieser Arbeit – strategisch geplant und nachhaltig finanziert.
Politische Vorhaben brauchen eine materielle Grundlage
Der Freistaat Sachsen hat in den letzten Jahren wichtige rechtliche und strategische Grundlagen
verabschiedet, darunter:
- die Strategie zum Schutz vor Diskriminierung und zur Förderung von Vielfalt (2017)
- den Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen (2017)
- die Gesamtstrategie gegen Rechtsextremismus (2021)
- das neue Sächsische Gleichstellungsgesetz (2023)
- das Sächsische Integrations- und Teilhabegesetz (2024)
Die Strategien, Gesetze und Aktionspläne müssen weiterhin querschnittlich handlungsleitend bleiben und an aktuelle Bedarfe angepasst und fortgeschrieben werden.
Zur Umsetzung dieser Vorhaben wurden wichtige Förderinstrumente entwickelt, wie:
- Richtlinie Weltoffenes Sachsen
- Richtlinie Integrative Maßnahmen
- Richtlinie Barrierefreie Wohnraumanpassung
- Richtlinie zur Förderung der Chancengleichheit
- Förderrichtlinie der Orte der Demokratie und der Sozialen Orte
- u.a.m.
Die Förderlandschaft ist begründet, notwendig und muss erhalten bleiben. Die Förderrichtlinien müssen im Landeshaushalt mit ausreichenden finanziellen Mitteln hinterlegt und abgesichert werden.
Intersektionale Perspektiven erhalten – statt marginalisieren
Als Organisationen, die in einem merkmalsübergreifenden horizontalen Netzwerk für eine Antidiskriminierungskultur in Sachsen zusammenzuarbeiten wissen wir: Diskriminierungen wirken oft nicht isoliert, sondern sind miteinander verschränkt. Genau dieser Blick macht viele Marginalisierungen erst sichtbar und ist zentral, um strukturelle Veränderungen für ein faires, innovatives und zukunftsfähiges Sachsen anzustoßen.
Projekte, die an diesen Schnittstellen arbeiten, sind besonders fortschrittlich und wirksam. Sie dürfen nicht aus dem Raster fallen, sondern müssen gezielt erhalten und gefördert werden.
Haushaltskürzungen gefährden die Demokratiearbeit
Der aktuelle Haushaltsbeschluss der Landesregierung sieht für die Jahre 2025 und vor allem 2026 drastische Einschnitte vor. Diese Kürzungen bedrohen bestehende Strukturen, laufende Projekte und die Arbeitsfähigkeit engagierter Träger – zum Teil in ihrer Existenz.
Eine solche Politik steht konträr zu dem öffentlich geäußerten Anspruch und Bedarf, die demokratische Kultur in Sachsen zu stärken.
Handlungsspielraum nutzen – nicht verschenken
Der Bund hat Spielräume zur Kreditaufnahme geschaffen – auch unter Wahrung der Schuldenbremse. Andere Bundesländer nutzen diese Möglichkeit bereits. Wir fordern die Sächsische
Staatsregierung auf, mutig zu handeln, finanzielle Spielräume auszuschöpfen und damit den Preis für Sparpolitik nicht mit gesellschaftlicher Rückschrittlichkeit zu bezahlen.
Unsere Forderungen an die Sächsische Landespolitik
- Haushalt überarbeiten: Rücknahme der geplanten Kürzungen in der Antidiskriminierungs-, Vielfalts- und Demokratiearbeit.
- Strukturen erhalten: Verlässliche, mehrjährige Förderung bestehender Träger und Netzwerke.
- Ausbau statt Rückbau: Zusätzliche Mittel für neue Herausforderungen und wachsende Bedarfe bereitstellen.
- Strategien mit Leben füllen: Politische Maßnahmen und Gesetze wie das Integrations- und Teilhabegesetz und den Landesaktionsplan Vielfalt mit ausreichenden finanziellen Mitteln unterlegen.
5. Intersektionale Arbeit stärken: Projekte, die mehrere Diskriminierungsdimensionen adressieren, gezielt fördern und schützen.
Fazit
Sachsen steht an einem Scheideweg. Wer glaubhaft für Demokratie, Vielfalt und ein faires Miteinander eintreten will, muss genau jene Strukturen stärken, die täglich dafür kämpfen – oft unter hohem persönlichem Einsatz und wachsendem Druck.
Wir fordern: Keine Kürzungen auf dem Rücken der Demokratie. Kein Rückbau von Vielfalt. Keine Rückschritte in der Antidiskriminierungsarbeit.
Ein demokratisches Sachsen braucht starke und gut finanzierte zivilgesellschaftliche Organisationen – jetzt mehr denn je.
Mit freundlichen Grüßen,
nadis - Netzwerk für eine Antidiskriminierungskultur in Sachsen
Die Mitglieder des nadis:
- Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V.
- Genderkompetenzzentrum Sachsen / FrauenBildungsHaus Dresden e.V.
- Gerede e.V. – Verein für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt
- Kulturbüro Sachsen e.V.
- Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e.V.
- Landesarbeitsgemeinschaft Queeres Netzwerk Sachsen e.V.
- OFEK e.V. – Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung
- Verband binationaler Familien und Partnerschaften iaf e.V. Leipzig
- Zentrum für selbstbestimmt Leben in Sachsen e.V.
Ansprechpartnerin für Rückfragen zur Stellungnahme:
Morena Gutte, Koordination nadis
Tel: 0351 – 485 096 97
E-Mail:morena.gutte@adb-sachsen.de