Glossar

Hier finden Sie Erklärungen zu zentralen Begriffen rund um das Thema (Anti-)Diskriminierung. Die Begriffe sind in alphabetischer Reihenfolge geordnet.


  • Identität

    Identität ist das Bewusstsein von sich selbst als Individuum. Identität ist nicht fest, unveränderlich und in sich stimmig. Man hat nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Identität, die sich nicht mehr verändert. Vielmehr bildet sich Identität beständig weiter und ist ein lebenslanger Prozess von Definition und Neudefinition der eigenen Person. Jeder Mensch trägt verschiedene Identitäten in sich. So sind z.B. das Geschlecht, das Alter, Herkunft, Nationalität, Beruf, Religionszugehörigkeit, Bildungsstand, sozialer Status usw. wichtige Identitätsmerkmale. In einer Person laufen diese verschiedenen Merkmale zusammen. Identität ist also ein Zusammenspiel von persönlichen und sozialen Identitäten, die sich gegenseitig beeinflussen.

  • Ideologie der Ungleichheit

    Ideologien sind Weltanschauungen, Ideensysteme oder Lehren darüber, wie Welt organisiert ist oder sein sollte. Begründen solche Ideologien die Ungleichwertigkeit von Menschen, dann sprechen wir von Ungleichheitsideologien. Ungleichheitsideologien sind zum Beispiel Rassismus, Antisemitismus und Sexismus. Sie bieten vermeintlich abschließende Ansichten und Erklärungsmuster darüber, wie die Gesellschaft und Über- und Unterordnungsverhältnisse von Menschen beschaffen sind. Dabei erklären sie schwierige gesellschaftliche Verhältnisse nicht nur, indem sie komplexe Widersprüche vereinfachen. Sie erklären darüber hinaus auch, warum diese Verhältnisse so beschaffen sind und warum es richtig ist, dass dies so ist. Sie legitimieren also Ungleichwertigkeit und Benachteiligung als logisch, unveränderbar und richtig.

  • Inklusion

    ist ein bürgerrechtsbasierter Ansatz gegen gesellschaftliche Ausgrenzung. Er will, dass alle Menschen das gleiche Recht und die tatsächliche Möglichkeit haben, in allen Bereichen der Gesellschaft in vollem Umfang teilzuhaben, ungeachtet ihrer persönlichen Unterstützungsbedürfnisse. Inklusion zielt drauf ab, dass sich alle gesellschaftliche Bereiche und Institutionen (Schule, Arbeitsmarkt, Wohnen, öffentliche Gebäude, Medien usw.) so verändern, dass kein Mensch mehr durch Barrieren ausgeschlossen wird. Nicht der Mensch muss sich anpassen, um sich in bestehende Strukturen einzupassen. Vielmehr müssen sich die Strukturen den unterschiedlichen Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen anpassen. Inklusion denkt alle von Anfang an mit. Es muss bei der Inklusion also niemand mehr eingegliedert werden, weil niemand zuvor ausgegliedert wurde.

  • Integration

    Integration bedeutet „dazu holen“, „vervollständigen“, „einbeziehen“ oder „in ein Größeres eingliedern“. Der Begriff beinhaltet, dass es eine Vorstellung von etwas bereits Vorhandenem, etwas "Normalem" gibt, in das sich bestimmte Menschen oder Gruppen einfügen sollen. Zum Beispiel sollen sich Menschen, die eine Behinderung haben, in eine Gruppe von Menschen, die keine Behinderung haben integrieren. Dabei muss sich das bestehende Ganze für die Integration nicht verändern, sondern die zu Integrierenden müssen sich an die vorhandenen Strukturen anpassen: Die zuwanderten Migrant_innen an die Mehrheitsgesellschaft oder das Kind mit einer Behinderung an die Regelschule. Integration ist nie bedingungslos, sondern sie bedarf bestimmter Bedingungen, damit die Integration überhaupt gelingt: Integrationsmaßnahmen, Integrationswilligkeit, Integrationsleistungen, Integrationsfähigkeit oder Integration unter dem Vorbehalt, dass sie bezahlbar sein muss.

  • Intergeschlechtlichkeit, Intersexualität

    Intergeschlechtlich geboren zu sein, bedeutet, mit sowohl weiblichen als auch männlichen Geschlechtsmerkmalen (Chromosomen, Hormone, Keimdrüsen, äußere und innere Geschlechtsmerkmale) geboren zu werden. Es gibt viele verschiedene Formen von Intergeschlechtlichkeit. Manchmal wird Intergeschlechtlichkeit bereits bei der Geburt festgestellt. In den letzten Jahrzehnten geriet das Verfahren vieler Kliniken stark in die Kritik, Säuglinge und Kleinkinder "in eine bestimmte Richtung" zu operieren, um das Geschlecht eindeutiger zu machen. 

    Juristisch gesehen musste seit dem 1. November 2013 ein Kind, das weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann, ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister eingetragen werden. Selbstvertretungsorganisationen kritisierten dieses Vorgehen als stigmatisierend, weil es keine positive Bezeichnung von Geschlechtervarianz zuließ, sondern nur einen negativen Zustand bezeichnete (eben "weder männlich noch weiblich"). Im Oktober 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass es gegen das Persönlichkeitsrecht von intergeschlechtlichen Menschen verstößt, wenn diese nicht durch eine repräsentative, positive Bezeichnung (z. B. inter oder divers) im Geburtenregister aufgeführt werden dürfen.

    Der Begriff Intersexualität ist ein synonym zu Intergeschlechtlichkeit verwendeter Begriff. Er wird jedoch von den meisten intergeschlechtlichen Menschen und ihren Unterstützer_innen abgelehnt: Einerseits, weil er ein Begriff aus der Medizin ist und mit Fremdbestimmung (statt Selbstbestimmung über den eigenen Körper) assoziiert wird; andererseits weil über den zweiten Teil des Wortes "-sexualität" oft der Irrtum erweckt wird, es handele sich um eine sexuelle Orientierung, statt eine Variante des Geschlechts. Intergeschlechtliche Menschen können hetereo-, homo-, bi-, asexuell oder queer begehren.

  • Intersektionalität

    Intersektionalität bedeutet Überschneidung von Diskriminierungsmerkmalen. Das kann bedeuten, dass sich zwei Diskriminierungsmerkmale verstärken, z. B. wenn Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben, weil sie Frauen sind und weil sie außerdem Migrantin sind. Verschiedene Merkmale können aber auch auf ganz spezifische untrennbare Art und Weise zusammenwirken und sich gegenseitig beeinflussen, so dass sie nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden können. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Schwarzer, junger Mann von der Polizei angehalten und auf Drogenbesitz kontrolliert wird, ohne dass es ein konkretes Verdachtsmoment gibt. Einem älteren Mann oder einem Weißen Jugendlichen wäre dies wahrscheinlich nicht passiert. Allein weil er ein Mann ist und jung und nicht-Weiß, erfüllt er das Klischee vom jugendlichen, männlichen, nicht-deutschen Dealer.

  • Islamophobie, Islamfeindlichkeit

    Islamophobie wird oft verwendet, um eine feindselige Ablehnung des Islam als solchen und von Muslim_innen als Personen zu bezeichnen. Der Begriff „Phobie“ und „Feindlichkeit“ legt aber nur eine unbestimmte Angst bzw. individuelle Feindseligkeit nahe. Treffender ist der Begriff antiislamischer Rassismus, denn er ist eine Ungleichwertigkeitsideologie und mehr als ein persönliches Vorurteil.

    Antiislamischer Rassismus ist ähnlich wie Antiziganismus eine spezifische Form des Rassismus.

    Seit den Terroranschlägen am 11.9.2001 in New York nimmt antiislamischer Rassismus stark zu. Dennoch hat er eine lange Geschichte, in welcher der „Orient“ gegenüber dem Okzident/Westen als kulturell und politisch unterlegen betrachtet wurde.

    Antiislamischer Rassismus äußert sich in der Ablehnung muslimischer Religion und deren Symbole, z.B. Kopftuch oder Minarette, aber auch in Ausgrenzung und Anfeindungen muslimischer Menschen und deren verschiedener Kulturen. Er verallgemeinert außerordentlich verschiedene Menschen und deren Lebessstile, deren weltweit so unterschiedliche kulturelle, politische und religiöse Hintergründe zu einem Islam und wertet diesen pauschal als bedrohlich, rückschrittlich, fanatisch oder frauenfeindlich ab.