28. Mär 2024 • nadis 

Stellungnahme: Sachsen braucht eine flächendeckende Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu vielfältigen Lebensweisen und geschlechtlichen Identitäten

Regenbogen aus Kreide

Stellungnahme des nadis - Netzwerk für eine Antidiskriminierungskultur in Sachsen zur Ablehnung der Weiterförderung der Bildungsarbeit des RosaLinde Leipzig e.V.

Dresden, 28. März 2024

Sehr geehrte Entscheidungsträger*innen in der sächsischen Politik und Verwaltung,

wir haben im Januar mit Irritation und großem Unverständnis zur Kenntnis genommen, dass die Förderrichtlinie „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ das Bildungsprojekt des RosaLinde Leipzig e.V. nicht weiterfördern wird.

Diese Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar. Gerade angesichts des Erstarkens rechtsextremer Strukturen und der Normalisierung extremistischer Diskurse sehen wir eine Einstellung der Förderung sehr kritisch. Insbesondere queerfeindliche Positionen gehören fest zu rechtsextremistischen Argumentationsmustern. Demnach sendet die Entscheidung aus unserer Sicht ein fatales Signal. Bildung und Information sind zentral angesichts der auch in der Gesamtgesellschaft anschlussfähigen Stereotypen und queerfeindlichen Positionen.
Wir plädieren daher nachdrücklich für die weitere Förderung der Bildungsarbeit des RosaLinde Leipzig e.V. und damit für die Sicherung der Antidiskriminierungsarbeit für lsbtianq* Personen in der Stadt Leipzig, dem Landkreis Leipzig und dem Landkreis Nordsachsen.
Gleichzeitig erwarten wir, dass mit allen Kräften in Legislative und Exekutive nach einer dauerhaften Lösung gesucht wird, eine Bildungsarbeit zu vielfältigen Lebensweisen als Querschnittsaufgabe zu verorten und finanziell abzusichern.
Bereits 2022 befand sich der Dresdner Verein Gerede e.V. in derselben Situation wie jetzt der RosaLinde Leipzig e. V.. In beiden Fällen sind nach dem Wegfall der Landesförderung übergangs- weise und in einem sehr begrenzten Umfang die Kommunen eingesprungen, um die Bildungsarbeit der beiden Träger in der Grundstruktur zu sichern. In Anbetracht der Tatsache, dass gerade im ländlichen Raum ein großer Bedarf an Bildung und Aufklärung zu vielfältigen Lebensweisen und geschlechtlichen Identitäten besteht, ist diese Übergangslösung nicht langfristig tragbar.
Es ist hinreichend bekannt, dass das Förderprogramm „Weltoffenes Sachsen“ stark überzeichnet ist und das Fördervolumen für Demokratieprojekte nicht ausreicht. Die sächsische Landes- regierung muss sich demzufolge über eine verlässliche und dauerhafte Förderung der flächendeckenden Bildungsarbeit zu queeren Lebensweisen verständigen. Nur so können kompetente Träger der Bildungsangebote sachsenweit als zuverlässige Partner*innen für Schule und Jugendarbeit fungieren und den queerfeindlichen Entwicklungen ein demokratisches Gegenangebot machen.
Als Netzwerk für eine Antidiskriminierungskultur in Sachsen (nadis) treten wir dafür ein, Sensibilität für gesellschaftliche Vielfalt und gegen Diskriminierung im Freistaat Sachsen zu fördern. Wie dringend nötig diese Sensibilisierung ist, führen uns die Ergebnisse des aktuellen Sachsen- Monitors dramatisch vor Augen. Im Erhebungsjahr 2023 hat in der sächsischen Bevölkerung die Zustimmung zu rassistischen, sozialdarwinistischen, antisemitischen, antimuslimischen und queerfeindlichen Aussagen erheblich zugenommen. Mittlerweile halten 30 Prozent der Sächs*innen gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen für „unnatürlich“, das ist eine Steigerung von 7 Prozent gegenüber 2021/22. Zudem zeigen ebenso die Fallzahlen des Antidiskriminierungsbüros Sachsen für das Jahr 2023 eine besorgniserregende Entwicklung auf: von den 524 Diskriminierungsfällen im Jahr 2023 in Sachsen fanden die Vorfälle am zweithäufigsten im Bildungsbereich statt. Das bedeutet ein Fallanstieg um knapp 50% im Vergleich zum Jahr 2022.
Aus diesen Entwicklungen wird noch einmal mehr deutlich, wie dringend nötig die Bildungsarbeit des RosaLinde Leipzig e.V. ist.
Deshalb erwarten wir von allen demokratischen Kräften, sich für eine dauerhafte Finanzierung der Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu vielfältigen Lebensweisen und geschlechtlichen Identitäten einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen,
nadis - Netzwerk für eine Antidiskriminierungskultur in Sachsen

Die Mitglieder des nadis:

  • Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V.
  • Dachverband sächsischer Migrant*innenorganisationen e.V.
  • Genderkompetenzzentrum Sachsen / FrauenBildungsHaus Dresden e.V.
  • Gerede e.V. – Verein für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt
  • Kulturbüro Sachsen e.V.
  • Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e.V.
  • Landesarbeitsgemeinschaft Queeres Netzwerk Sachsen e.V.
  • LIGA Selbstvertretung Sachsen – Netzwerk Behinderung und Menschenrechte Sachsen
  • OFEK e.V. – Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung
  • Verband binationaler Familien und Partnerschaften iaf e.V. Leipzig

Ansprechpartnerin für Rückfragen zur Stellungnahme:

Morena Gutte, Koordination nadis
Tel: 0351 – 485 096 97
E-Mail: morena.gutte@adb-sachsen.de

nadis ist ein Netzwerk sächsischer Vereine und Initiativen mit dem Ziel, eine Antidiskriminierungskultur zu fördern. Die Mitgliedsorganisationen des NADIS arbeiten in unterschiedlichen Arbeitsfeldern schwerpunktmäßig zu den Themen Behinderung, Geschlecht, sexuelle und geschlechtliche Identität und ihre Verschränkungen, Rassismus, Antisemitismus, Migration, sowie Rechtsextremismusprävention und Demokratiestärkung. Sie betrachten Diskriminierung als eine problematische gesellschaftliche Realität und haben beschlossen, im Rahmen eines merkmalsübergreifenden, horizontalen Netzwerkes zusammenzuarbeiten. Ihr gemeinsames Ziel ist es, Diskriminierung, Teilhabe und Teilgabe in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen zu thematisieren und gemeinsame Konzepte einer gelebten Antidiskriminierungskultur für Sachsen zu entwickeln.