20. Feb 2024 • Allgemein 

Hamburg: Klage gegen Diskriminierung aufgrund des muslimischen Kopftuchs gegen Sicherheitsfirma gewonnen (Pressemitteilung amira)

Pressemitteilung der Hamburger Antidiskriminierungsberatungsstelle amira 

Hamburg, den 19.02.24

“Das ist ein tolles Signal! Es sollte selbstverständlich sein, dass wir sichtbar sind!” (Klägerin Frau T. nach dem Urteil)

Das Hamburger Arbeitsgericht gibt der Klage einer Muslima statt, der auf Grund ihres Kopftuches die Einstellung als Flugsicherheitsassistentin verwehrt wurde. Das Gericht widerspricht damit der Annahme der Sicherheitsfirma, dass ein religionsloses Erscheinungsbild des Luftsicherheitsassistenten eine wesentliche Anforderung für die Ausübung der konkreten beruflichen Tätigkeit sei.

Frau T. hatte sich im März 2023 als Luftsicherheitsassistentin für den Hamburger Flughafen beworben. Frau T.s Bewerbung ist im ersten Schritt auf Interesse gestoßen, nachdem sie jedoch einen Lebenslauf samt Foto nachgereicht hat, auf dem ersichtlich war, dass sie ein Kopftuch trägt, wurde sie abgelehnt. Frau T. entschied sich diese Erfahrung nicht hinzunehmen und wandte sich an die Antidiskriminierungsberatungsstelle amira, die sie in dem folgendem Beschwerde- und Klageverfahren begleitete.
Das Arbeitsgericht erkennt mit dem Urteil vom 25.01.2024 eine unmittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG wegen der Religion an und verurteilt die beklagte Fima zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 AGG in Höhe von 3500 €.

Die Sicherheitsfirma hatte die Ablehnung von Frau T. mit der Notwendigkeit eines „neutralen Erscheinungsbildes“ der Flugsicherheitsassistenten begründet. Da die Klägerin nach erfolgreicher Übernahme im Auftrag der Bundespolizei gearbeitet hätte, argumentierte die Sicherheitsfirma mit der Ablehnung von Frau T. einen Erlass der Bundespolizei umzusetzen.
Das Gericht widersprach jedoch der Annahme der Beklagten, dass den Bundesbeamten ein Kopftuchverbot bzw. ein Verbot zum Tragen religiöser Merkmale während der Amtsausübung der Luftsicherheit auferlegt worden sei. Ein solcher Erlass sei nie verabschiedet worden. Zudem stellte das Gericht in Frage, dass ein religionsloses Erscheinungsbild des Luftsicherheitsassistenten für die Ausübung der betreffenden beruflichen Tätigkeit eine entscheidende berufliche Anforderung sei. Bei einer Ausnahme von dem Grundrecht auf Gleichbehandlung müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dringend beachtet werden, so das Gericht weiter.

Frau T. freut sich über diese klare Begründung:

„Die Anerkennung der Diskriminierung bedeutet mir sehr viel. Sie ist ein tolles Signal und symbolisch unglaublich wertvoll. Ich hoffe mit diesem Urteil insbesondere jungen Muslimas Mut zu machen, an ihren Träumen festzuhalten und für ihren Platz in dieser Gesellschaft zu kämpfen. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir sichtbar sind. Als kopftuchtragende Frauen erleben wir es leider immer wieder, in der Wahl unserer Berufe eingeschränkt zu werden, wir müssen immer mehrere Pläne auf einmal haben und Ablehnungen einkalkulieren. Das ist belastend und frustrierend und macht auf Dauer krank. Das Urteil macht mir von daher Mut und ist hoffentlich ein Schritt hin zu gesellschaftlicher Veränderung und mehr Anerkennung.“

Auch T.s Anwalt Sebastian Busch begrüßt die Entscheidung des Hamburger Arbeitsgerichts.

„Das Arbeitsgericht stellt klar, dass die neuen Vorschriften im Bundesbeamtengesetz und im Beamtenstatusgesetz nicht selbst eine Grundlage für das Verbot religiös motivierter Kleidungsstücke schaffen, sondern lediglich eine Entscheidung der zuständigen Bundesbehörde erlauben können. Der Bundespolizei muss dies anscheinend noch durch die Verantwortlichen erläutert werden."

Nur wenige Betroffene würden den juristischen Weg gehen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nutzen, um gegen eine erlebte Diskriminierung vorzugehen, berichtet die Antidiskriminierungsberatungsstelle amira aus ihrer Erfahrung. Umso bedeutender sei die Anerkennung der Rechtsverletzung auch über den konkreten Fall heraus.

„Diskriminierung zu erleben ist belastend und hat weitreichende Folgen für die Betroffenen. Dennoch blieben die Erfahrungen oft unerkannt und unsichtbar. Die Anerkennung der Rechtsverletzung ist daher stellvertretend für viele Betroffene von hoher Bedeutung. Für uns als Beratungsstelle steht dabei die Notwendigkeit im Vordergrund, dass Frauen ohne Benachteiligung am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben können, derartige Verbote und Ausschlüsse sind mit Diskriminierungsschutz nicht vereinbar,“

so die Beraterin Dina Musharbash.

Pressekontakt:

Dina Musharbash, amira (basis & woge e.V.)
Tel. 0176 - 22870349