28. Mär 2021 • Allgemein 

Bundestag hat geschlechtsangleichende Operationen an intergeschlechtlichen Kindern verboten

Flagge intergeschlechtlicher Menschen

Künftig dürfen Eltern von intergeschlechtlichen Kindern keine geschlechtsangleichenden Operationen an ihren Kindern mehr vornehmen lassen. Der Bundestag beschloss am 25. März 2021 ein Verbot von Behandlungen, die das körperliche Erscheinungsbild eines mit intergeschlechtlichen Merkmalen geborenen Kindes an die binäre Vorstellung eines männlichen oder weiblichen Geschlechts angleichen sollen. Ausnahmen sind nur erlaubt, wenn der Eingriff aus medizinischen Gründen nicht aufgeschoben werden kann. Auch dann muss er jedoch von einer interdisziplinären Kommission befürwortet werden. 

Dazu heißt es in einer Pressemitteilung der Interessenvertretung Intersexuelle Menschen e.V. (26. März 2021):

"Die Verabschiedung des Gesetzes ist ein weiterer Meilenstein hin zur Anerkennung von intergeschlechtlichem Leben in Deutschland. Der jahrzehntelange Kampf von intergeschlechtlichen Menschen für ihr Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit war teilweise erfolgreich. Die Signalwirkung ist eindeutig: Eingriffe dürfen nur nach der informierten Einwilligung der Person selbst erfolgen oder müssen gerichtlich genehmigt werden."

Interessenvertretungen intergeschlechtlicher Menschen kritisieren den Gesetzesentwurf als nicht weitreichend genug. Auch die Oppositionsparten FDP, Linke und Grüne bemängelten Schutzlücken im neuen Gesetz. Als "Schwachstellen" nennt Intergeschlechtliche Menschen e.V. zum Beispiel, dass das Gesetz umgangen werden können: Nur wenn ein Kind offiziell die Diagnose "Variante der Geschlechtsentwicklung" bekommen habe, greife das Verbot. Werde die Diagnose jedoch nicht gestellt, könnten Kinder ohne Diagnose weiterhin operiert werden. Auch sei das Verbot einer "Auslandsumgehung" nicht klar geregelt worden.

Hintergrund

Intergeschlechtlich zu sein, bedeutet, mit körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren zu sein, die sich – aus einer medizinischen und binären Perspektive – nicht eindeutig als „weiblich“ oder als „männlich“ zuordnen lassen.

Häufig wurden Kinder – teilweise im Säuglingsalter – riskanten geschlechtsangleichenden Operationen unterzogen, die häufig jahrelange körperliche und psychische Beschwerden verursachten. Vereine und Verbände kritisierten, dass Eltern von inter* Kinder vom medizinischen Personal unter Druck gesetzt wurden – nur, um die gesellschaftliche Erwartung zu erfüllen, in der Geburtsurkunde entweder „männlich“ oder „weiblich“ anzukreuzen. Auch Wissenschaftler*innen zweifelten zunehmend die gesundheitliche Notwendigkeit solcher Operationen an.

Auch durch die Schaffung einer dritten Geschlechtskategorie durch den Gesetzgeber im Jahr 2013 gibt es mittlerweile die Anerkennung von Intergeschlechtlichkeit als geschlechtlicher Varianz des Menschen.

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