In der Rubrik „Aus unserer Arbeit“ veröffentlichen wir in regelmäßigen Abständen anonymisierte Fälle aus unserer Beratungsarbeit als Einblick in die Antidiskriminierungsberatung in Sachsen. Wir danken allen Ratsuchenden, die bereit sind, ihre Erfahrungen anonym in der Öffentlichkeit zu teilen!
Weitere Fälle finden Sie auf unserer Webseite unter "Beratung".
Der Fall
Im April 2024 wandte sich eine Ratsuchende an uns, die in der Hotelbranche arbeitet. Sie ist alleinerziehend und hat zwei Kinder. Sie berichtete uns, dass sie keine richtige Einarbeitung bekam (sie sollte durch die Zusammenarbeit mit einer Kollegin die Abläufe nebenbei erlernen). Auf Nachfragen zu den Arbeitsabläufen reagierte die Vorgesetzte abweisend und ungeduldig. Oft ändert diese morgens den Arbeitsbeginn der Ratsuchenden. Es kam vor, dass sie deshalb eine Stunde in der Kälte vor dem Hotel warten musste bis zum Arbeitsbeginn. Die Vorgesetzte schrie sie (und viele andere Mitarbeiter*innen) immer wieder an und beleidigte sie massiv („Ausländer“, „Scheiß-Mädchen“). Sie schuf ein feindliches Klima für alle, mit besonderem Fokus auf unsere Ratsuchende. Immer wieder wurde ihr in Anwesenheit anderer Kolleg*innen gesagt, dass sie nichts könne und alles falsch mache. Die Vorgesetzte untersagte der Ratsuchenden auch, sich an Vorgesetzte oder andere Mitarbeitende des Hotels zu wenden. Ende April erhielt sie dann völlig überraschend die Kündigung - ohne Auskunft zu Gründen oder Erklärungen. Sie reichte eine Kündigungsschutzklage ein und kam zu uns in die Beratung mit Bitte um Unterstützung.
Rechtliche Einschätzung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung im Arbeitsverhältnis aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, Behinderung und sexueller Identität. In diesem Fall lagen klare Anhaltspunkte für eine Benachteiligung aufgrund der Herkunft vor. Die Kündigung war zudem fragwürdig, da sie ohne jegliche Begründung erfolgte.
Intervention und Ergebnis
Wir verfassten einen Beschwerdebrief an den Arbeitgeber und begleiteten sie zum Arbeitsgericht. Die Rechtsanwältin unser Ratsuchenden argumentierte, dass die Kündigung fehlerhaft sei und korrigiert werden müsse. Die Richterin drängte auf eine Einigung. Nachdem wir Beweise für die Diskriminierung vorlegten, nahm der Arbeitgeber die Kündigung zurück. Stattdessen bot er der Ratsuchenden eine Stelle in einem anderen Hotel unter neuer Leitung an, was sie annahm.
Kommentar
Dieser Fall zeigt, wie verbreitet Diskriminierung am Arbeitsplatz ist und wie schwer es für Betroffene sein kann, sich dagegen zu wehren. Menschen mit Migrationsgeschichte erleben oft Benachteiligungen, die sie aus Angst vor Jobverlust oder weiteren Nachteilen viel zu oft hinnehmen. Der Fall zeigt zugleich auch, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in der Privatwirtschaft greift und Schutz bieten kann, wenn Betroffene sich Unterstützung suchen. Umso wichtiger ist es, Betroffene zu unterstützen sich zu wehren und auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen.
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