22. Feb 2022 • Pressemitteilung 

Chemnitz: Diskothek-Besucher klagt gegen rassistische Einlasskontrollen und bekommt vor Gericht Recht (Pressemitteilung ADB Sachsen)

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Pressemitteilung des Antidiskriminierungsbüros Sachsen

Chemnitz, 22.02.2022

Ein Kläger bekommt wegen rassistischer Einlasskontrollen in einem Club in Chemnitz vor Gericht Recht. Der Clubbetreiber wird dazu verpflichtet, zukünftig Einlassverweigerungen aus rassistischen Gründen zu unterlassen. Der Prozess, der für Betroffene eigentlich eine Erfolgsgeschichte darstellen sollte, löst bei Kläger und Beiständ*innen dennoch gemischte Gefühle aus.

Im August 2018 wollten der 29-jährige Mediziner Adrian Angelescu und seine Freund*innen gemeinsam die Diskothek „Luxor“ in Chemnitz besuchen. Am Einlass hieß es jedoch: Nur für Deutsche und Studierende! Der Türsteher gab als Erklärung an, dass es in der Vergangenheit nur schlechte Erfahrungen gegeben habe mit „Rumänen, Syrern, Polen“. Deshalb ließ der Türsteher Herrn Angelescu, der seinen rumänischen Personalausweis vorzeigte, nicht in den Club.

Herr Angelescu suchte Rat und Unterstützung in der ADB-Beratungsstelle in Chemnitz. „Wir haben die Erfahrung von Herrn Angelescu als rassistische Diskriminierung bewertet“, so Jan Diebold, Antidiskriminierungsberater in der ADB-Beratungsstelle in Chemnitz. „Menschen aufgrund rassistischer Zuschreibungen nicht in eine Diskothek einzulassen, stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dar. Clubbetreiber*innen müssen dafür Sorge tragen, dass durch sie selbst, aber auch durch das angestellte Personal, keine Diskriminierung erfolgt.“

Adrian Angelescu war sich von Anfang an sicher, gegen diese Ungleichbehandlung vorzugehen, und reichte mit anwaltlicher Unterstützung und mit dem ADB als Beistand Klage gegen den Diskothekenbetreiber zum Amtsgericht Chemnitz ein.
Er sagt: "Ich habe geklagt, weil ich diese diskriminierende Situation bereits häufig erlebt habe, sowohl bei mir selbst als auch bei anderen Menschen mit nicht-deutschem Ausweis. Dagegen wollte ich etwas unternehmen."

Vor Gericht fanden mehrere Verhandlungstermine statt, Zeug*innen wurden befragt. Im Januar 2020 schließlich wurde das Urteil verkündet: Der Diskothekenbetreiber muss Adrian Angelescu eine Entschädigung in Höhe von 500 EUR zahlen und wurde vom Gericht verurteilt, es zu unterlassen, dem Kläger künftig den Zutritt zur Diskothek zu versagen, sofern nicht im Einzelfall zwingende Gründe vorliegen, die in keinem Zusammenhang mit seiner Herkunft stehen. Für den Fall des Verstoßes hat das Gericht ein empfindliches Ordnungsgeld angedroht (Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 16.01.2020, Aktenzeichen 15 C 481/19).

Gegen das Urteil legte die Beklagtenseite Berufung zum Landgericht Chemnitz ein. In der Berufungsverhandlung im September 2021 fand die Richterin deutliche Worte und riet der Beklagtenseite zur Zurücknahme der Berufung mangels Erfolgsaussicht. Auch sei bei der Festlegung der Entschädigungssumme „noch Luft nach oben“ und auf die vom Kläger verfolgte Anschlussberufung könne eine Verurteilung zu einer höheren Entschädigungssumme ausgesprochen werden. Die Beklagtenseite nahm das Rechtsmittel daraufhin zurück und das Urteil des Amtsgerichts Chemnitz wurde rechtskräftig.

„Ich bin nur teilweise zufrieden“, so Adrian Angelescu, nachdem das Urteil am 14. September 2021 rechtskräftig wurde. "Denn einerseits habe ich mit diesem Urteil ein Zeichen in Chemnitz gesetzt, dass es rechtlichen Schutz vor Diskriminierung gibt. Andererseits glaube ich, dass die Gegenseite die Bedeutung ihrer Taten bis heute nicht verstanden hat."

Jan Diebold führt dazu aus: „Gut ist, dass das Urteil damit aufräumt, Clubbetreiber*innen könnten sich auf ihr Hausrecht berufen, um diskriminierende, hier auf die Herkunft bezogene, Einlasspraktiken an der Tür zu rechtfertigen. Wir hoffen, dass das Urteil eine Signalwirkung an die gesamte Clubszene hat. Andererseits hat der gesamte Prozess uns deutlich vor Augen geführt, wie an deutschen Gerichten dieses Thema verhandelt wird. So hat der Richter am Amtsgericht durch verschiedene Äußerungen und durch die geringe Entschädigungssumme die diskriminierende Tat bagatellisiert.“

Burcu Akdoğan-Werner, Fachleitung der Antidiskriminierungsberatung im ADB Sachsen, sieht das problematisch: „Viele Betroffene kennen das AGG nicht. Und die, die es kennen, nutzen zumeist die rechtlichen Möglichkeiten nicht. Denn selbst wenn die Sachlage ganz klar ist, stellt die Erhebung einer Klage für Betroffene eine hohe Hürde dar. Grund dafür ist neben den mit einem langwierigen Gerichtsverfahren einhergehenden zeitlichen, emotionalen und finanziellen Belastungen, das Risiko erneuter Diskriminierungen durch Richter*innen, insbesondere für Betroffene von rassistischer Diskriminierung.“

So kann es für Kläger*innen eine zutiefst enttäuschende Erfahrung werden, wenn sie ihr Recht auf Gleichbehandlung vor Gericht – einer Instanz, von der angenommen wird, sie sei ‚neutral‘ – einfordern und im Gerichtssaal erneut Diskriminierung und Bagatellisierung erleben müssen. Und das, zumal das Ganze mit einer erheblichen finanziellen Belastung einhergehen kann.

Dennoch möchten wir als ADB Sachsen andere Betroffene ermutigen, sich – gerichtlich oder außergerichtlich – gegen jede Form von Diskriminierung zur Wehr zu setzen und sich an uns zu wenden.

„Es braucht mutige, kämpferische und engagierte Menschen wie Herrn Angelescu, die den rechtlichen Weg gehen und vor Gericht ihr Recht auf Gleichbehandlung einklagen“, schließt Burcu Akdoğan-Werner. „Wir stellen unsere Expertise gerne zur Verfügung und unterstützen Menschen auf diesem Weg.“

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Pressekontakt

Katharina Scholz, katharina.scholz@adb-sachsen.de

Den Kontakt zu unserem Klienten, Herrn Angelescu, stellen wir gerne für Sie her.

Eine ausführliche Darstellung des Prozessverlaufes finden Sie auf unserer Webseite in den Themenbeiträgen.

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